Als ich angefangen habe, in Social Media sichtbar zu werden, war die Intention nicht, Menschen zu begleiten oder etwas zu verkaufen, sondern einfach aus meinem Herzen zu teilen und andere mit meinem Weg zu berühren.
Ich nahm ein Video auf, welches “die Botschaft der Liebe” hieß.
Ich hatte noch nie öffentlich über mein Leben gesprochen oder geschrieben und nun setzte ich mich einfach in meine Küche, stellte ein paar Bücher auf einen Stapel, oben drauf mein Handy angelehnt an das oberste Buch und ließ alles einfach aus mir heraus fließen.
Ich sprach über meine Kindheit, über den Schmerz meinen Vater nicht gehabt zu haben, über meine Suche nach Präsenz und Ganz-Da-Sein im Sport und später in den Drogen. Ich sprach über Sucht, Drogensucht und auch Arbeitssucht, über Erfolge und Misserfolge, über das Scheitern meiner beiden ersten Ehen, über den Schmerz, das zwei meiner Kinder mit meiner Ex-Frau ins Ausland zogen, über meinen folgenden Burn-out und auch wie ich meinen Weg aus der schwersten Krise meines Lebens fand. Wie dankbar ich darüber bin und wie sich mir ein innerer Reichtum aus dieser Dunkelheit eröffnet hatte, den ich vorher mein ganzes Leben im Außen gesucht hatte.
Fast eine Stunde sprach ich und dann stellte ich das Video einfach so wie es war ohne viele Worte öffentlich auf Facebook. Ich hatte gerade einmal 200 Freunde dort und war seit Jahren nur alle paar Monate mal auf Facebook.
Das Video hatte innerhalb kürzester Zeit über 50 Likes und diverse Kommentare und ich erhielt viele private Nachrichten mit Danksagungen.
Meine Worte brachten viele Menschen zum Weinen und berührten im Herzen und ich war überglücklich, denn genau das war meine Absicht gewesen.
Ein Mensch hinterließ etwas später einen blöden Kommentar und es ist kaum in Worte zu fassen, was das mit mir anstellte. Er schrieb, er möge mich wohl, aber ich habe “einen rostigen Nagel in meinem Kopf”.
Mehrere Tage beschäftigten mich seine Worte. Das ganze innere Programm von “ich bin falsch”, “etwas stimmt mit mir nicht”, “ich bin viel zu zart für diese Welt” usw. kam hoch. Gleichzeitig eine riesige Wut darüber, jemanden, der sich so offen zeigt, solche Worte da zu lassen. Etliche Male setzte ich schon an einen richtig fiesen Kommentar zurück zu schreiben, schrieb ihn sogar einmal und löschte ihn danach jedoch wegen Gewissensbissen wieder. Ich traute mich auch nicht, den Kommentar einfach zu löschen, weil ich es unaufrichtig fand, die Worte eines anderen einfach aus zu radieren, nur weil sie mir nicht gefallen. Ihr könnt euch kaum vorstellen, was ich in diesen Tagen durchgemacht habe…
Es war wichtig für meinen persönlichen Weg, dieses Video aufzunehmen und die vielen Danksagungen waren auch schön und wichtig. Doch der wichtigste Teil dieser Erfahrung war der Kommentar dieses Menschen, der sich sicherlich nicht bewusst war, wie tief seine Worte mich treffen würden.
Es war meine erste tiefe Einweihung in das, was es bedeutet, sichtbar zu sein.
Ich bin tief gewachsen in diesen Tagen, in denen ich die Worte und das, was sie mit mir machten, in mir wirken ließ. Die Wut, die Trauer, die Ohnmacht, die Scham, all das durfte ich noch einmal fühlen und dabei das Programm, das durch die emotionalen Kräfte genährt wurde, gehen lassen.
Für meinen Weg ist es nicht dienlich, zu glauben, dass ich einen rostigen Nagel in meinem Kopf habe. Also geht alles, was dazu noch in Resonanz war, in mir.
Dieser Mensch war mein wertvoller Spiegel, nicht mehr, nicht weniger.
Ich danke ihm.
Ich konnte es nur aushalten, weil ich wusste, dass das, was ich in dem Video gesprochen hatte, echt und wahrhaftig aus meinem Herzen gekommen ist.
Und so halte ich es einfach bis heute.
Und deswegen gibt es niemanden, der mich aufhalten kann, sondern nur Menschen, die mir durch ihr “Spiegel sein” Geschenke sind.
Für dieses Wissen danke ich.
Und ich gebe es weiter.
Love,
Wanja