Meine drei kleinen Zauberer sind die süßesten Geschöpfe unter der Sonne.
Ich bin in den Niederlanden in der gleichen Ferienparkanlage, in der wir seit Jahren unsere Urlaube zusammen verbringen. Ich allein würde hier kein Haus buchen, doch mit den Kindern ist dieser Ort in seiner vollendeten Spießigkeit der perfekte Platz.
Vor den Häusern parken fast identische Elektro-SUVs und die Häuser sehen innen und außen auch fast alle gleich aus. Kunstledersofas, Kunstlederstühle, ein auf alt und rustikal gemachter, aber fast nagelneuer großer Esstisch und ein fast ebenso großer Flachbildfernseher, auf dem an der Seite der W-LAN Schlüssel steht. In einem Empfangs-Paket aus recycelter Pappe bekommt man den ersten Spülmaschinentab und einen rosa Lappen. In der Küche findet man die Filterkaffeemaschine, die Brettchen und die kleinen Löffel aus Plastik und anstatt eines Backofens die altbekannte und hier in Holland so beliebte Mikrowelle.
Ich kenne es alles. Ich weiß schon, dass ich meine Küchentücher zum Abtrocknen, das Brettchen aus Holz, mein scharfes vietnamesisches Kochmesser, meine Bialetti und den Milchaufschäumer aus Edelstahl selbst mitbringen werde.
Ich weiß schon vorher, dass ich mich wieder fragen werde, warum solche Häuser anstatt aus Plastik nicht aus Holz gebaut werden, das ich wieder überlegen werde, mir einfach einen kleinen Mini-Backofen zu kaufen, den ich dann auf die nächsten Reisen mitnehmen kann und das ich mich auch wieder ärgern werde, dass ich beim Buchen nicht den aufpreispflichtigen Haken gesetzt habe, mit dem ich hätte erwirken können, dass bei meiner abendlichen Ankunft nach der weiten Anreise alle Betten schon bezogen sind.
Für die Kinder spielen alle diese Fragen keine Rolle. Sie fließen mit dem Strom und erleben hier mit mir Tage außerhalb der Zeit.
Bei einem künstlichen See inmitten der riesigen Anlage, in dem man im Sommer auch schwimmen kann, gibt es einen mit Netz umspannten, weich und bunt eingewickelten Indoorspielplatz mit Trampolin, durchsichtigen Röhren, einem Bällebad und eine große Rutsche, auf der die Kinder mit den glitzernden Palletten bestickten Kissen die heftigsten Schnellrutschrekorde aufstellen.
Im Minutentakt kommt jemand um ein Stück Apfel, Birne, Paprika, Gurke oder eine Reiswaffel einzusacken und muss erinnert werden, dass man erst wieder auf die Piste darf, wenn man aufgegessen hat.
Nebenan ist ein kleines Schwimmbad mit zwei Babybecken, einer weiteren Rutsche und auch noch ein größeres Becken, in dem man sogar als Erwachsener ein paar Züge schwimmen kann.
Wir sind vormittags im Schwimmbad und am Nachmittag im Indoor-Spielplatz oder, wenn wir mal etwas Abwechslung brauchen, machen wir es auch mal andersrum. Sprechen tun wir niederländisch. Ich habe es von meinen Kindern gelernt und habe einen absolut fürchterlichen deutschen Dialekt. Ich kann auch nur die Basics, die man eben braucht, wenn man sich mit Kleinkindern verständigt. Darin bin ich aber mittlerweile vollkommen sicher.
Damit meine Kinder auch ein bisschen Deutsch lernen, lese ich deutsche Kinderbücher vor und übersetze dann Absatz für Absatz mit meinem grottenschlechten Niederländisch. So haben wir alle doppelt und dreifach was von Petterson & Findus.
Was mich vollkommen erstaunt ist wie friedlich es ist. Die beiden Niederländer sind ja „nur“ die Halbgeschwister von meinem großen Sohn und seitdem die Kleinen mit ihrer Mutter in den Niederlanden leben, sehen sie sich nur die paar Mal im Jahr zu denen ich es mit meinem großen Sohn in seinen Ferien schaffe her zu kommen. Sie sprechen auch nicht die gleiche Sprache. Doch es dauert keine zwei Minuten, dann sind wir so tief in tune, als wäre es nie anders, als dass wir alle zusammen sind.
Ich bin jetzt seit zwei Tagen hier und es gab noch keinen Streit, kein Drama, keine Tränen, keine Ausbrüche, Nichts. Es ist einfach vollkommener Frieden.
Mein ganzes System kommt in der Gegenwart all meiner Kinder so tief zur Ruhe wie sonst nirgendwo. Ich gehe schlafen, wenn sie schlafen gehen. Gestern, an Silvester habe ich um zwanzig vor neun die Augen zugemacht und erst wieder geöffnet, als meine Süßen mich um kurz vor acht weckten.
Gerade nach dem Mittagessen spielten alle und ich spürte, wie meine Augen wieder schwer wurden. Ich legte mich auf das Sofa und schlief noch eine Stunde, während um mich herum geturnt, gebastelt und gezeichnet wurde. Schließlich weckten sie mich und erinnerten mich, dass es Zeit ist für den Indoor-Spielplatz.
So werden wir auch noch die nächsten Tage hier verbringen. Tausend Dinge könnten wir tun, ins Museum gehen, ins Kino, Wanderungen oder Ausflüge an die Küste unternehmen. Und bestimmt werden wir das auch noch, wenn die Kleinen noch ein paar Jahre älter geworden sind. Doch jetzt gerade ist genau dieses Sinken in der ganzen Einfachheit des bekannten Ortes in seiner vollendeten Spießigkeit perfekt für uns vier.
Liebe Grüße vom Bällebad aus Plastikhausen.
Wanja, inmitten seiner Kinder.