Was ist Atem?
Der Atem ist weit mehr als nur ein physiologischer Vorgang – er ist ein Spiegel in beide Richtungen: Sowohl unbewusst als auch bewusst. Unsere unbewusste Atmung verrät viel über unseren aktuellen Zustand. Ob ein Mensch gestresst, entspannt, ängstlich oder innerlich ruhig ist – all das spiegelt sich direkt in seinem Atemmuster. Gleichzeitig wirkt dieser Spiegel aber auch in die andere Richtung: Durch bewusste Atmung können wir aktiv Einfluss auf unser Befinden nehmen – auf körperlicher, emotionaler und mentaler Ebene.
Dass Atmung eng mit Bewusstsein und Geist verbunden ist, zeigt sich nicht nur in der Praxis, sondern auch sprachlich. In vielen alten Sprachen ist das Wort für Atem gleichbedeutend mit Geist, Seele oder Spirit: Im Sanskrit etwa „Atman“, im Griechischen „Pneuma“, was sowohl Atem als auch Geist bedeutet. Auch unser Wort „Psyche“ stammt ursprünglich vom griechischen „psychḗ“ – dem Hauch. Und selbst in modernen Begriffen wie „Inspiration“ – wörtlich: Einatmung – klingt diese Verbindung noch nach.


Die Arbeit mit dem Atem war deshalb seit jeher Bewusstseinsarbeit. Schon unsere frühen Vorfahren nutzten ekstatische oder bewusst geführte Atemmuster, um Zugang zu tieferen Schichten ihres Seins zu finden. In alten Kulturen und Heiltraditionen, in der chinesischen Medizin, im Qi Gong, Tai Chi, Yoga oder in den Kampfkünsten gilt die bewusste Atmung bis heute als zentrales Werkzeug zur Regulierung von Körper, Energie und Geist.
Die Verbindung zwischen Atem und Bewusstsein ist also kein neues Konzept – sie ist gelebtes Wissen seit Tausenden von Jahren. Und heute aktueller denn je.
Pranayama – Atem als Lebenskraft
Eine der ältesten und bekanntesten Atempraktiken stammt aus Indien: Pranayama. Der Begriff setzt sich aus Prana – der Lebenskraft – und Ayama – Ausdehnung, Kontrolle oder Führung – zusammen. Prana ist nicht nur Atem im physiologischen Sinn, sondern jene subtile Kraft, die allem Leben innewohnt. Der Atem ist das Trägermedium dieser Energie – und über ihn können wir direkten Zugang zu dieser Lebenskraft erhalten.
Pranayama zielt darauf ab, diese Kraft bewusst zu lenken, zu reinigen und in Fluss zu bringen. Die Praxis stärkt den Körper, klärt den Geist, erhöht die Konzentrationsfähigkeit und schafft einen inneren Raum, in dem Lebendigkeit und Stille gleichzeitig erfahrbar werden. In der klassischen Yoga-Lehre ist Pranayama ein fundamentaler Bestandteil auf dem Weg zur Selbsterkenntnis und Erleuchtung.

Während im Westen oft nur die körperlichen Aspekte des Yoga unterrichtet werden – als Dehnung, Kräftigung oder Entspannung – war und ist Yoga im Ursprung eine spirituelle Disziplin. Die körperlichen Übungen (Asanas) dienen in der traditionellen Lehre vor allem dazu, den Körper durchlässig zu machen: damit die Lebensenergie ungehindert fließen kann und der Mensch in die Einheit mit sich selbst und dem Göttlichen findet.
Der Körper wird in dieser Sichtweise nicht als Ziel, sondern als Instrument verstanden. Und wie bei jedem guten Instrument gilt: Je feiner es gestimmt ist, desto klarer und kraftvoller der Klang. Wer lernt, dieses Instrument bewusst zu spielen – durch Atmung, Achtsamkeit und Präsenz –, kann sich in höhere geistige und spirituelle Dimensionen einschwingen. Pranayama ist dabei der Atemweg dorthin – im wahrsten Sinne des Wortes.
Atemarbeit und Bewusstsein in der westlichen Welt – Entwicklungen der letzten Jahrzehnte
In den letzten rund 60 Jahren haben sich verschiedene Formen der bewussten Atemarbeit auch in der westlichen Welt etabliert. Besonders in den 1960er, 70er und 80er Jahren kam es zu einem regelrechten Aufbruch – stark geprägt durch die Hippie-Bewegung, spirituelle Suchbewegungen und das Aufblühen alternativer Heilmethoden. Zunächst vor allem in San Francisco und Kalifornien, verbreiteten sich viele dieser Impulse wenige Jahre später auch im deutschsprachigen Raum.
Zwei prägende Persönlichkeiten dieser Zeit stehen exemplarisch für diese Entwicklung:


Stanislav Grof – Holotropes Atmen
Der gebürtige Tscheche Stanislav Grof, promovierter Arzt, Psychiater und einer der bekanntesten LSD-Forscher seiner Zeit, entwickelte nach dem Verbot psychedelischer Substanzen in den USA eine alternative Methode zur Erforschung des Bewusstseins: das Holotrope Atmen (holotrop = sich zur Ganzheit hinbewegend).
Grof kombinierte Erkenntnisse aus der Transpersonalen Psychologie mit Atemarbeit, Musik und Körperarbeit. Seine Technik basiert auf einem festgelegten Atemzyklus: 40 intensive Atemzüge mit Betonung auf der kraftvollen Ausatmung, gefolgt von einem langen Atemhalten nach dem vollen Einatmen – mit dem Fokus in den Kopfbereich. Dieser Wechsel aus intensiver Aktivierung und innerer Stille öffnet bewusstseinsverändernde Räume, in denen emotionale, körperliche und spirituelle Prozesse erfahrbar werden.
Rüdiger Dahlke – Der verbundene Atem
Im deutschsprachigen Raum wurde Rüdiger Dahlke zu einer der bekanntesten Stimmen in der Atemszene. Seit über 40 Jahren arbeitet er mit dem sogenannten „verbundenen Atem“ – einer Technik, bei der die Atemzüge ohne Pause zwischen Ein- und Ausatmung in einem kontinuierlichen Fluss gehalten werden. Ziel dieser Praxis ist es, sich selbst mit Energie zu durchfluten, Blockaden aufzulösen und in einen erweiterten Zustand innerer Präsenz und Lebendigkeit zu kommen.
Dahlke integrierte die Technik in zahlreiche Seminare, Vorträge und Großveranstaltungen – oft mit hunderten Teilnehmern gleichzeitig. Damit trug er maßgeblich dazu bei, Atemarbeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Atemarbeit und Bewusstsein heute – Vielfalt, Tiefe und neue Wege
In den letzten Jahren hat sich die Landschaft der Atemarbeit noch einmal deutlich weiterentwickelt. Es entstehen ständig neue Schulen, Richtungen und Methoden, und die Vielfalt an Ansätzen ist heute größer denn je. Manche Systeme arbeiten hochstrukturiert und technikorientiert, mit festen Protokollen, definierten Zyklen und klaren Ausbildungsstandards. Andere wiederum setzen auf freie, intuitive Prozesse, bei denen die Selbstbestimmung und der individuelle Ausdruck im Vordergrund stehen.
Die inhaltliche Ausrichtung ist ebenso breit gefächert: Einige Methoden haben ihren Fokus auf Traumaheilung und somatischer Integration, andere auf spirituelle Öffnung und Einheitserfahrungen. Es gibt Schulen, die Atemarbeit im Kontext von körperlicher Gesundheit, mentaler Resilienz, psychischer Entfaltung oder Stressbewältigung nutzen – ebenso wie Richtungen, die auf Traditionen wie Rebirthing aufbauen oder stark mit Körperarbeit verbunden sind.
Trotz dieser Unterschiedlichkeit gibt es eine gemeinsame Essenz: Atemarbeit will Menschen ermöglichen, sich selbst zu begegnen – jenseits von Konzepten, Rollen oder Gedanken. Der Atem wird zum Tor in das eigene Erleben, in die Verbindung mit dem Körper, der Emotion und dem, was tiefer darunter liegt.
Unsere Empfehlung: Hol dir Inspiration, sei offen, und nimm auf, was dich anspricht. Nicht jede Methode passt zu jedem Menschen – und das ist gut so. Die Vielfalt ist eine Stärke. Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern darum, was dich unterstützt, näher bei dir selbst anzukommen.

Atmung und die Zukunft der Menschheit
Die Menschheit steht an einem Wendepunkt. Immer mehr Menschen beginnen zu erkennen, dass es nichts außerhalb von Bewusstsein gibt. Alles, was wir erleben – innerlich wie äußerlich – ist Ausdruck unserer bewussten oder unbewussten Ausrichtung. Wer zum Meister der eigenen Wirklichkeit werden will, darf beginnen, Meister des Bewusstseins zu werden.
In den kommenden Jahren wird es darum gehen, die Multidimensionalität unseres Seins zu entschlüsseln, scheinbare Widersprüche zu integrieren und höheres Wissen nicht nur zu empfangen, sondern im Körper zu verankern. Denn Bewusstsein ist untrennbar mit Wissen verbunden – und in diesem Wissen liegt unsere wahre Macht.
Das Human Design System weist bereits auf einen tiefgreifenden Wandel hin: Ab 2027 rückt die Individuation ins Zentrum. Es geht darum, das eigene Potenzial zu erkennen, zu leben und in den Dienst des Ganzen zu stellen. Die meisten Menschen leben bisher nur einen Bruchteil dessen, was in ihnen angelegt ist. Denn 95 % unserer Wahrnehmung geschieht unbewusst – nur 5 % sind uns bewusst zugänglich.


Wir, Sophie und ich, arbeiten als Coaching-Paar seit vielen Jahren mit Menschen in tiefen Entwicklungsprozessen – und wir bringen in all unseren Ausbildungen, Programmen, Mentorings und Coachings die Atemarbeit als zentrales Element ein. Der Atem ist für uns kein festgelegtes Protokoll, sondern ein offener Raum für Erfahrung, Selbsterkenntnis und Transformation.
Wir leiten den Atem sicher und professionell an, schaffen einen geschützten Rahmen – aber lassen gleichzeitig viel Raum für Eigenverantwortung und inneres Erleben. Denn wir glauben zutiefst: Jede Atemreise ist perfekt, genauso wie sie geschieht. Es zeigt sich immer genau das, was bereit ist, gesehen und gefühlt zu werden.
Und genau das macht den Atem so kraftvoll in einer Zeit, in der die Welt mit Komplexität, Überforderung und Kontrollverlust kämpft. Der Atem vereinfacht, entschleunigt und verbindet – er bringt uns zurück ins Hier und Jetzt, in den Körper, in die Wahrheit.
Der Atem ist nicht nur Teil der Zukunft – er ist der Weg dorthin.
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